Digitalisierungsprojekt von Enercon GmbH und Nagarro

Sturmtief „Ylenia“ hat zu Jahresbeginn nicht nur Schäden angerichtet, sondern auch einen neuen Rekord aufgestellt: Durch die starken Böen wurde so viel Wind wie noch nie ins deutsche Stromnetz eingespeist. Im Kampf um Energiewende und Klimaschutz ist das eine gute Nachricht: Denn bei der Förderung erneuerbarer Energien steht Windenergie besonders im Fokus – hier fällt kein CO2 an.

Von der Verwaltung auf Papier zu digitalen Lösungen

Ein Unternehmen, das ebenfalls für ordentlich Wind sorgt, ist die Enercon GmbH aus Ostfriesland. Enercon ist der größte deutsche Hersteller von Windenergieanlagen. Mehr als 30.000 Anlagen mit einer Leistung von 47 Gigawatt hat das Unternehmen bereits installiert, die Hälfte davon in Deutschland. Die 13.000 Mitarbeiter arbeiten in den deutschen Produktionsstätten in Aurich, Emden, Magdeburg und Südbrookmerland sowie in 22 Ländern weltweit an innovativen Lösungen für den Bau und Vertrieb von Windkraftanlagen. Und das mit Erfolg: Das Unternehmen besitzt 45 Prozent aller Patente im Bereich der Windenergietechnologie. Eine technische Besonderheit ist, dass die Anlagen von Enercon getriebelos sind. Neben der Windkraft ist das Unternehmen auch in den Bereichen Wasserkraft und Transport tägig.

Das Unternehmen hat den Anspruch, nicht nur technologisch innovativ zu sein, sondern auch bei der Digitalisierung seiner Prozesse. Die Verwaltung und Steuerung von Arbeitsvorgängen und Gewerken, auch auf den Baustellen, lief bis vor Kurzem vollständig über Papier. Das bedeutete: Pro Windenergieanlage wurden etwa 50 Protokolle zu Vorgehen, Montage und Abnahme handschriftlich per Zettel geführt. Mit dem Ergebnis, dass es laufend zu Medien- und Prozessbrüchen kam. Durch die inkonsistenten Prozesse und die fehlende Übersichtlichkeit wurden Informationen zwischen den Mitarbeitenden in der Planungsabteilung und denen im operativen Geschäft falsch übermittelt oder gingen verloren. Was wiederum dazu führte, dass Risiken unerkannt blieben, Fehler bei der Montage nicht rechtzeitig kommuniziert wurden und die Kommunikationswege insgesamt zu lang und kompliziert waren. Im Zuge einiger Digitalisierungsprojekte entschied das Unternehmen daher, auch die Zettelwirtschaft durch mobile Lösungen zu ersetzen. Dadurch sollten durchgängige Prozesse bei der Abnahme und Freigabe der einzelnen Vorgänge geschaffen, eine hohe Stammdatenqualität, etwa bei den Stücklisten und dem Equipment der Anlage, erreicht sowie Echtzeit-Informationen für die Baustellenteams zur Verfügung gestellt werden. Mit der Umsetzung beauftragte Enercon den IT-Full-Service-Provider Nagarro, der bereits vorherige Projekte erfolgreich geleitet hatte.

Apps für den Einsatz auf den Baustellen

Die kurze Konzeptionsphase begann im August 2020 mit dem Ziel, bis Ende 2021 den Go-Live und bis Ende 2022 den internationalen Roll-out umzusetzen. Die Leistung von Nagarro umfasste die Entwicklung und Implementierung von sieben verschiedenen Apps für den Einsatz auf den Baustellen. Diese sind technisch in die SAP Cloud Plattform NEO und in SAP ECC beziehungsweise S/4HANA eingebunden. Jede Rolle hat eine offline- und eine Web-App zur Verfügung. Über die Apps können Mitarbeitende unter anderem Aufträge planen und Aufgaben steuern, den Status einzelner Arbeitsschritte in Echtzeit einsehen, Arbeitszeiten managen, Ersatzteile bestellen, das Berichtswesen steuern sowie Gesundheits- und Sicherheitsvorgaben abrufen. Auch die Inbetriebnahme und Übergabe an den Kunden sowie die Kommunikation intern und mit Geschäftspartnern laufen über die Apps. Um die Teams mit den neuen Tools vertraut zu machen, führte Enercon Produktschulungen direkt vor Ort auf den Baustellen durch. „Die Entwicklung der Apps hat sich von Beginn an sehr an den Anforderungen der Mitarbeitenden im Arbeitsalltag orientiert. Dadurch haben die Teams die Apps schnell an- und in Betrieb genommen“, sagt Britta Burmeister, Projektmanagerin bei Enercon.

Durch das agile Projektvorgehen konnten Herausforderungen im Laufe des Projekts schnell gelöst und Verbesserungen wie Erweiterungen zügig vorgenommen werden. So wurden auch erste Ergebnisse früh sichtbar. „Insgesamt hat das Projekt von einer partnerschaftlichen und vertrauensvollen Zusammenarbeit im kleinen Kreis profitiert. Die Gespräche waren immer konstruktiv und die Abläufe unbürokratisch“, fasst Seema Naserry, Projektleiterin bei Nagarro zusammen.

Alle Ressourcen effizienter nutzen

Durch die Umstellung von Papier auf digitale Lösungen, nutzt Enercon alle Ressourcen effizienter. Die Stammdaten sind harmonisiert und werden nur noch über ein zentrales System gepflegt. Das bedeutet eine deutliche Reduzierung manueller Eingaben und Tätigkeiten – für die einzelnen Fachbereiche wie für das moderne Berichtswesen –, einhergehend mit vereinfachten, transparenten Geschäftsprozessen. So können über die Apps einheitliche Stück- und Produktlisten geführt werden und der Mengen- und Wertefluss ist integriert. Außerdem stehen die Daten ab sofort in Echtzeit zur Verfügung – das spart Zeit. Ein Mitarbeitender benötigt mindestens zwei bis vier Stunden weniger für eine Aufgabe als zuvor.

Hinzu kommt: Durch die Apps können die Teams die Risiken im Baustellenbetrieb, zum Beispiel Verzüge bei der Materialbeschaffung oder wetterbedingte Einschränkungen, besser vorhersehen und schneller reagieren. Das wiederum führt dazu, dass die Kunden zufriedener sind. Da E-Mails und Ausdrucke der Vergangenheit angehören, verbessert sich zudem der Fußabdruck des Unternehmens im Arbeitsalltag. „Themen wie Internet of Things und Industrie 4.0 spielen für unser Unternehmen eine große Rolle. Die neuen Apps sind ein wichtiger Baustein, um für das Zeitalter der Digitalisierung gerüstet zu sein“, so Britta Burmeister.

Autorin: Catrin Schreiner, Fachjournalistin

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