Welchen Beitrag kann KI zur Energiewende leisten?
Effizientere Prozessgestaltung, Energiemanagement, Anlagensteuerung oder nachhaltige Energiekonzepte für Gebäude: In der Energiewirtschaft findet KI in vielen Bereichen Einsatzmöglichkeiten.
Die Energiewende beziehungsweise der Übergang von fossilen Brennstoffen hin zu ökologischen und nachhaltigen Energiequellen bringt zahlreiche Herausforderungen mit sich. Dadurch rücken neue Technologien und vor allem Künstliche Intelligenz als Lösungsansatz mehr und mehr in den Fokus.
Im Folgenden wird erläutert, wie KI die Energiewende unterstützen kann. Neben verschiedenen Lösungsansätzen werden auch kritische Aspekte, die mit Künstlicher Intelligenz einhergehen beleuchtet, insbesondere der enorme Energieverbrauch, verursacht durch Künstliche Intelligenz, der in riesigen Rechenzentren gebunden ist. Zudem soll dieser Artikel den Zusammenhang zwischen der Bauwende und dem Klimawandel aufzeigen, da diese eng mit der Energiewende verknüpft sind.
1. Die Rolle der KI in der Energiewende
Die Energiewende ist die Transformation einer fossilen Energieerzeugung hin zu einer dezentralisierten, erneuerbaren Energieversorgung. Um diese Transformation voranzubringen sind intelligente Lösungen im Bereich der Effizienz, der Energieberechnung, der Energiespeicherung und Nutzung notwendig. Hier kann und wird Künstliche Intelligenz entscheidende Beiträge leisten.
1.1. Optimierung der Stromnetze
Die Integration von Energie aus erneuerbaren Quellen wie Wind- oder Sonnenenergie in die bestehenden Stromnetze stellt eine der größten Herausforderungen dar. Da die Produktion von Energie aus diesen Quellen Schwankungen unterliegt und wetterabhängig ist, müssen Abweichungen ausgeglichen werden. Nur so kann eine stabile Versorgung sichergestellt werden. Hier kommt KI ins Spiel:
- Vorhersage und Steuerung:
KI-Algorithmen sind in der Lage, Wetterdaten und andere externe Einflüsse zu analysieren, um präzise Prognosen über die Produktionsmöglichkeiten erneuerbarer Energien zu treffen. So können Überlastungen oder Ausfälle verhindert und eine optimierte Netzsteuerung ermöglicht werden. - Lastmanagement:
KI kann Verbrauchsmuster prognostizieren und den Stromverbrauch steuern – insbesondere in Zeiten hoher Verfügbarkeit erneuerbarer Energien. Gerade in Zeiten von Spitzenlasten ist diese Steuerung notwendig, um das Netz zu entlasten und zu stabilisieren, um so den Bedarf an fossilen Energien zu minimieren. - Virtuelle Kraftwerke:
Um die Effizienz und die Flexibilität des gesamten Systems zu verbessern kann KI als zentraler Steuerungsmechanismus agieren, um die Einheiten virtueller Kraftwerke (Vernetzung vieler kleiner, dezentraler Energieerzeuger wie zum Beispiel Solaranlagen, Windkraftanlagen, Batteriespeicher) wie ein einziges Kraftwerk zu betreiben.
1.2. Effiziente Nutzung von Energiespeichern
Des Weiteren muss überschüssige Energie gespeichert werden, um sie bei Bedarf jederzeit abrufen zu können. Künstliche Intelligenz ist in der Lage, ebendiese Speicherung sowie die Entladung von Energiespeichern zu optimieren:
- Intelligente Batteriespeicher:
Basierend auf aktuellen Strompreisen, Wetterprognosen und der Netzlast können intelligente Energiespeicher durch Machine Learning Lade- und Entladezyklen optimieren. - Wasserstoffproduktion:
Grüner Wasserstoff ist ebenfalls eine gute Art, um Energie zu speichern. Hierbei wird durch den Einsatz von Strom mittels eines Elektrolyseurs Wasser in seine Bestandteile zerlegt und somit Wasserstoff „erzeugt“. Dieser wird dann gespeichert und zu einem späteren Zeitpunkt in einem Wasserstoff-BHKW oder einer Brennstoffzelle wieder zu Strom gemacht. Der Nachteil an dieser Speicherform sind die hohen stromseitigen Verluste. Diese fallen jedoch nicht ins Gewicht, sofern die Abwärme genutzt werden kann, bspw. zur Raumheizung, Prozesswärme o.Ä. Durch KI können die Liefer- bzw. Wandlungsketten ganzheitlich optimiert werden, so dass Wasserstoff als Stromspeicher doch attraktiv wird.
2. Beitrag der KI zur Bauwende
Neben der Umstellung auf erneuerbare Energien ist auch die Bauwende ein wichtiger Aspekt der Energiewende. Gebäude sind für etwa 40 % des weltweiten Energieverbrauchs verantwortlich und bieten ein enormes Potenzial zur Einsparung. Die KI kann auch hier eine entscheidende Rolle spielen:
2.1. Energieeffizienz von Gebäuden
- Intelligente Energieberechnung:
Künstliche Intelligenz kann präzise Energieprognosen für Gebäude oder für gesamte Quartiere oder Industrieliegenschaften berechnen. Eine fehlende Messdatengrundlage oder unscharfe Angaben können durch realitätsnahe Annahmen kompensiert werden. Durch präzise Prognosen kann somit für eine optimale Anlagenauslegung und deren effizienten Betrieb gesorgt werden. - Smart Buildings:
Durch intelligente Steuerung von Heizung, Lüftung und Klima kann der Energieverbrauch in Gebäuden optimiert werden. Gebäude können außerdem anhand von Sensordaten oder dem Nutzerverhalten dynamisch angepasst werden, um Energie zu sparen.
2.2. Nachhaltige Baustoffe und Bauprozesse
- Materialoptimierung:
KI kann den Einsatz nachhaltiger Baumaterialien optimieren, um das in den Gebäuden gebundene CO₂ zu reduzieren. Ebenso kann auch die Wiederverwertung alter Baumaterialien durch KI gesteuert und identifiziert werden. - Baulogistik:
Der gesamte Bauprozess an sich kann durch KI neu gestaltet und effizienter werden. Zum Beispiel lassen sich Lieferketten analysieren und verbessern, um die Bauzeit zu verkürzen.
3. Energieverbrauch der KI
Neben all den Vorteilen, Innovationen und Technologien für die Energiewende, die KI mit sich bringt, gibt es dennoch auch einige kritische Aspekte, die man berücksichtigen muss. Machine Learning und Deep Learning binden enorme Rechenkapazitäten. Sowohl im Betrieb als auch im Training verbrauchen diese Systeme erhebliche Mengen an Energie. Die CO₂-Emissionen, die durch das Training eines KI-Modells entstehen, können durchaus mehrere Tonnen betragen.
- Green AI:
Um den Energieverbrauch von KI-Modellen zu verringern wird derzeit an Modellen und Prozessoren gearbeitet, um den ökologischen Fußabdruck von Künstlicher Intelligenz zu minimieren. - Rechenzentren: Der Betrieb von Rechenzentren, die KI-Modelle ausführen, kann durch den Einsatz erneuerbarer Energien und eine verbesserte Kühlung nachhaltiger gestaltet werden. Hier spielt auch die Optimierung der Kühlungsprozesse durch KI eine Rolle.
Zwischen der Effizienzsteigerung durch künstliche Intelligenz und dem zusätzlichen Energieverbrauch besteht durchaus ein Spannungsfeld. Perspektivisch müssen KI-Modelle also so entwickeln werden, dass sie auf lange Sicht mehr Energie einsparen, als dass sie verbrauchen. Eine große Herausforderung, die die Zusammenarbeit von Forschung, Politik und Unternehmen erforderlich macht.
Wichtig ist jedoch, zu verstehen, dass mit dem Einsatz von KI in den genannten Anwendungsfällen weniger die rechenaufwändigen, großen Sprachmodelle (LLMs) gemeint sind, die seit ChatGPT 3.5 in den letzten Jahren ein hohes mediales Interesse erzeugt haben, sondern sehr kleine, hoch spezialisierte Modelle, deren energetischer Aufwand deutlich geringer ausfällt. Der energetische Aufwand ist zwar trotzdem nicht zu vernachlässigen, fällt aber bereits heute in der Regel deutlich geringer aus als die eingebrachte energetische Einsparung.
4. Ausblick: Zukunft der Energiewende mit KI
KI wird in Zukunft eine wichtige Rolle für die Energiewende spielen. Dabei geht es längt nicht mehr um die reine Optimierung von Prozessen. Durch KI entstehen auch völlig neue Geschäftsmodelle:
- Prosuming und Energiehandel:
Beim Prosuming sind Energieverbraucher gleichzeitig auch Energieproduzenten.
Hier kann KI dabei unterstützen, überschüssige Energie von Haushalten oder Unternehmen direkt handeln zu können. - Sektorkopplung:
Die Sektorkopplung verbindet die Strom-, Gas- und Wärmenetze als auch dem Mobilitätssektor miteinander. KI hilft beispielsweise dabei, überschüssigen Strom aus erneuerbaren Energien für das Laden von Elektrofahrzeugen zu nutzen.
Fazit
KI kann und wird einen wesentlichen Beitrag zur Energie- und Bauwende leisten.
Optimierte Stromnetze, eine gesteigerte Energieeffizienz in Gebäuden sowie die Unterstützung nachhaltiger Bauprozesse werden helfen, den Übergang zu einer klimaneutraleren Wirtschaft zu erleichtern.
Jedoch ist eine nachhaltige Entwicklung der KI-Technologie unerlässlich, um die gesteckten Klimaziele zu erreichen und die Energiewende erfolgreich zu gestalten.
Um das volle Potenzial der KI auszuschöpfen, müssen weiterhin Anstrengungen unternommen werden, um die Technologie effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Die Zukunft der Energiewende liegt nicht nur in der Entwicklung neuer Technologien, sondern auch in der verantwortungsvollen Nutzung und Integration bestehender Lösungen.
Über den Autor: Dr.-Ing. Bernd Petraus hat die Position des Chief Technology Officers(CTO) bei der Digital Building Industries AG inne. Darüber hinaus ist er technischer Vorstand und CTO der übergeordneten TMM AG, die vielfältige Leistungen rund um innovative und nachhaltige Gebäudeplanung anbietet. Bernd Petraus weißt langjährige Erfahrung innerhalb der TMM Group, unter anderem als Projektingenieur, Projektleiter und Abteilungsleiter auf. Nach Abschluss seines Masterstudiums M. Sc. Wirtschaftsingenieurwesen promovierte Bernd Petraus an der Technischen Universität Chemnitz im Bereich Maschinenbau und hat seine Doktorarbeit im Bereich Modellbasierte Kommunikationsanalysen geschrieben.