Energietechnik

Stromnetze für erneuerbare Energien: Neue Methoden für mehr Stabilität

Die Anforderungen an Europas Stromversorgungsnetz steigen beständig, da immer mehr dezentrale Einspeisung und schwankende erneuerbare Energien zu berücksichtigen sind. Um die daraus resultierenden komplexen Interaktionen zwischen Netzkomponenten besser zu verstehen, arbeiten das Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme IWES, die Universitat Politècnica de Catalunya – BarcelonaTech (UPC), eRoots Analytics, die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) und die University of Malta (UM) am Projekt TenSyGrid. Dabei entsteht eine Toolbox für die direkte Stabilitätsbewertung, die auf multilinearen Modellen von Stromnetzkomponenten basiert und mit vorhandenen kommerziellen Softwarepaketen kompatibel sein soll. Das Projekt startete im Dezember 2024 und wird im Rahmen der EU-Initiative Clean Energy Transition Partnership (CETP) von BMWK Deutschland, Miciu, AEI, CDTI Spanien und Xjenza Malta gefördert.

Da traditionelle Verfahren für Stromnetzsimulationen das Verhalten leistungselektronikbasierter regenerativer Quellen nicht hinreichend erfassen können, werden häufig konservative Grenzwerte festgelegt, die den Ausbau erneuerbarer Energien limitieren. Elektrische Transientenmodell-Simulationen (EMT) sind zwar genau, jedoch sehr zeitaufwendig. TenSyGrid setzt hier an, indem es EMT-Simulationen durch multilineare Modelle ergänzt. Das Fraunhofer IWES koordiniert das Vorhaben und bündelt gemeinsam mit den Projektpartnerinnen und -partnern die entsprechenden Kompetenzen. Beim Projekt-Kick-off im Dezember 2024 wurde über Ziele und Methoden gesprochen.

Dr. Carlos Cateriano Yáñez, Projektkoordinator am Fraunhofer IWES, machte deutlich, im Projekt werde sicherzustellen sein, dass das Modellierungskonzept für große Stromnetze skalierbar und unkompliziert anpassbar bleibe, um Netzänderungen laufend abbilden zu können. TenSyGrid solle Tools entwickeln, die sich problemlos in bestehende Software integrieren lassen und so für Betreiberinnen und Betreiber nutzbar werden, ohne grundlegende Änderungen an den aktuellen Systemen vorzunehmen.

Prof. Eduardo Prieto-Araujo, Projektkoordinator an der UPC, stellte heraus, dass die künftigen Stromversorgungssysteme sich grundlegend von früheren Netzen unterscheiden werden, da die massive Einbindung leistungselektronischer Einspeisungen, Speichermöglichkeiten und Lasten das System deutlich komplexer mache. Es würden moderne Tools gebraucht, um diese Netze verlässlich zu modellieren und zu analysieren. Multilineare Ansätze könnten sich dabei als vielversprechende Alternative erweisen, weil sie die Eigenschaften heutiger Stromnetze präzise erfassen und den Echtzeitbetrieb unterstützen.

M.Sc. Josep Fanals i Batllori, Geschäftsführer und Projektleiter bei eRoots, betonte, dass sich Stabilitätsstudien klassisch auf rechenintensive dynamische Simulationen stützten, multilineare Modelle in Verbindung mit neuen analytischen Methoden aber eine Neudefinition solcher Untersuchungen bewirken könnten. Stromnetze seien ein ideales Anwendungsfeld für die mathematischen Grundlagen, auf denen TenSyGrid beruhe, da die nichtlinearen Gleichungen im Kern ein multilineares Format annähmen. Durch dieses Vorgehen könne ein Werkzeug mit transformativem Potenzial für die Branche entstehen.

An der HAW Hamburg freut sich Prof. Gerwald Lichtenberg auf das Projekt, weil damit der multilineare Modellierungsansatz, den man in mehreren nationalen Vorhaben weiterentwickelt habe, nun europaweit bekannt gemacht werden könne. Zudem werde er an die Anforderungen von Stromnetzen angepasst.

Prof. John Licari, Projektkoordinator an der University of Malta, erläuterte, die Integration erneuerbarer Energiequellen und leistungselektronikbasierter Systeme sei für Netzbetreiberinnen und Netzbetreiber eine große Herausforderung. Dank alternativer, schneller und exakter Modellierungstools lasse sich der Stromnetzbetrieb vereinfachen, weil potenzielle Schwierigkeiten frühzeitig erkannt würden. Die Technik werde dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit des Netzes zu erhöhen und eine nachhaltige Energieversorgung zu fördern.

Im Gegensatz zur klassischen EMT-Simulation verwendet TenSyGrid ein durch Tensoren abgebildetes multilineares Modell. Dieses Modell kann die relevanten Phänomene in umrichterdominierten Netzen abdecken und erfordert weit weniger Rechenaufwand. Die hohe Interpretierbarkeit der Modelle ermöglicht Echtzeit-Stabilitätsbewertungen in einem Umfang, der bislang nicht umsetzbar war.

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