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Energiewende mit leeren Taschen?

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2023 zur Verfassungswidrigkeit des 60-Milliarden-Nachtragshaushalts (Az.: 2 BvF 1/22) hat nicht nur die Bundesregierung kalt erwischt und auf eine ihrer bisher größten Zerreißproben gestellt, weil plötzlich die finanziellen Mittel zum Gestalten der politisch gewollten Energiewende fehlen. Auch die deutsche Wirtschaft ist maximal verunsichert, sollten doch die Mittel aus dem Fonds auch den Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen sowie energieintensiven Unternehmen den technologisch aufwändigen Umstieg in emissionsärmere Produktionstechniken ermöglichen.

Derzeit schauen viele Projektplaner mit großen Fragezeichen auf begonnene Planungen und fragen sich, wie es nun weitergeht. Werden zugesagte Mittel fließen? Was bedeutet der Wegfall von fest eingeplanten Förderungen für begonnene Projekte und bestehende vertragliche Verpflichtungen? Dieser Beitrag will eine erste Orientierung liefern. Angesichts der sich dynamisch entwickelnden und zu gleichen Teilen von Recht und Politik abhängigen Lage stellt er aber lediglich eine Momentaufnahme dar.

Kein Anspruch auf noch nicht verbindlich zugesagte Mittel

Zunächst die bittere Pille: Auf Subventionen, die noch nicht verbindlich und rechtswirksam zugesagt sind, besteht grundsätzlich kein Anspruch. Die öffentliche Hand ist – auch nach Stellung eines entsprechenden Antrags durch ein zuwendungsberechtigtes Unternehmen – nicht daran gebunden, eine noch nicht bewilligte Förderung auch zuzusagen und auszuzahlen. In aller Regel ist in den Förderrichtlinien der entsprechenden Subventionsprogramme ausdrücklich ein sogenannter Haushaltsvorbehalt zu finden, aber auch ohne einen solchen steht die Bewilligung von Subventionen stets im Ermessen der öffentlichen Hand. Das Fehlen der nötigen Mittel stellt einen anerkannten Grund dafür dar, eine begehrte Förderung nicht auszuzahlen.

Achtung: Dies gilt ausdrücklich auch, wenn es bereits ausdrückliche mündliche Zusagen nach eingehenden Gesprächen mit der Verwaltung gegeben haben mag, selbst wenn diese sogar belegt werden könnten. Das Gesetz ist hier unmissverständlich und bestimmt, dass eine nicht schriftlich erfolgte Zusage keinen Anspruch auf die Förderung begründen kann.

Zum Schicksal bereits zugesagter Förderungen

Die Lage stellt sich für Förderungsempfänger anders und besser dar, wenn bereits ein Zuwendungsbescheid der zuständigen Behörde vorliegt.

Jedoch hat die Verwaltung selbst im Fall einer bereits bestandskräftigen Förderungszusage die Möglichkeit, diesen Bescheid wieder aufzuheben. Dies ist an strenge Bedingungen geknüpft, denn das Recht erkennt durchaus an, dass Zuwendungsempfänger von Subventionen mit diesen planen und auch selbst Investitionen unternehmen, um die bezuschussten Projekte durchzuführen, und dass sie dies im schutzwürdigen Vertrauen darauf tun, die zugesagten Mittel auch behalten zu können. Wie weit dieser Vertrauensschutz reicht, unterscheidet sich im Einzelfall jedoch enorm:
Eine wesentliche Unterscheidung in den Voraussetzungen für die Aufhebung und den damit verbundenen Rechtsfolgen – insbesondere die hoch relevante Frage, inwieweit das Vertrauen des Zuwendungsempfängers darauf, die Förderung zu erhalten und auch behalten zu dürfen, schutzwürdig ist – hängt an der Frage, ob der Bescheid, den die Verwaltung aufheben möchte, rechtswidrig oder rechtmäßig ist. Häufig beschäftigt diese Frage etwa die Gerichte, wenn Antragsteller (bewusst oder unbewusst) unvollständige oder falsche Angaben gemacht haben und die Verwaltung dann hierauf reagiert. Nehmen wir aber einmal an, das Unternehmen hat vollständige, zutreffende Angaben gemacht und bis auf den Wegfall der Mittel im Klima- und Transformationsfonds infolge des Verfassungsgerichtsurteils hat sich nichts verändert. Ist dann das Vertrauen des Unternehmens, das zum Beispiel bereits Investitionen mit den Fördermitteln oder in Vorbereitung hierauf getätigt hat, geschützt? Dafür wird zu klären sein, ob ein Subventionsbescheid, dem rückwirkend durch ein Urteil des Verfassungsgerichts die Haushaltsgrundlage entzogen wird, eigentlich rechtswidrig wird und die Verfassungswidrigkeit des Fördertopfes auf den Einzelbescheid durchschlägt oder dieser rechtmäßig bleibt. Diese Frage ist in der Rechtsprechung bisher soweit ersichtlich nicht abschließend geklärt.

Selbst wenn die Förderung an sich möglicherweise dann passé ist, kann es mitunter durchaus sein, dass dem betroffenen Unternehmen ein Anspruch auf Schadensersatz zusteht, der etwa vergebliche und im Vertrauen auf den Erhalt der zugesagten Gelder gemachte Verluste ausgleichen kann.

Entscheidet sich die Verwaltung also dazu, die Zusage wieder einzukassieren und eventuelle bereits ausgezahlte Mittel wieder zurückzufordern, sollte dies unbedingt anwaltlich geprüft werden – und zwar schnell. Derartige Verwaltungsakte werden dem Empfänger gegenüber binnen eines Monats bestandskräftig, können danach also grundsätzlich nicht mehr rechtlich angegriffen werden. Hält die beauftragte Kanzlei ein gerichtliches Vorgehen gegen die Entziehung für aussichtsreich, scheut das Unternehmen aber die mit dem Klageweg verbundenen Kosten und Risiken, kann es sich anbieten, einen Prozessfinanzierer zu kontaktieren. Dieser übernimmt die Kosten für Klage und rechtliche Vertretung für das Unternehmen und erhält im Gegenzug (lediglich) im Erfolgsfall einen Anteil am erstrittenen Betrag.

Zivilrechtliche Folgen für Projektverträge

Ergänzend soll hier noch kurz die Lage in den zivilrechtlichen Projekt-Bau- und Entwicklungsverträgen gestreift werden. Bestehen Projektverträge, deren wirtschaftliche Grundlage aus Sicht aller Beteiligten (auch) die in Aussicht gestellten oder sogar bereits zugesagten Förderungen darstellten, ohne weiteres fort, wenn die Subvention nun entfällt? Wer trägt hier das wirtschaftliche Risiko, und gibt es möglicherweise Rechte, sich vom Vertrag zu lösen, wenn die Durchführung des Projekts schlicht unwirtschaftlich würde? Dies lässt sich nicht pauschal beurteilen und die korrekte Antwort ist leider das berühmte „es kommt darauf an“, für das Juristen landauf landab so geliebt werden. Einige Leitplanken lassen sich aber festzurren:
Zunächst ist die wichtigste Grundlage auch für die wirtschaftliche Risikotragung zwischen den Projektpartnern der abgeschlossene Vertrag einschließlich Anlagen, vorvertraglicher Kommunikation, etc. Häufig wird die Planung, dass und welche Teile des Projektes aus Fördermitteln bestritten werden sollten, sich in den Vertragsunterlagen, etwa Budgets oder Milestone-Plänen, wiederfinden, und sich möglicherweise hieraus ableiten lassen, in wessen Risikosphäre der Erhalt der angestrebten Förderung liegen soll.

Haben die Parteien keine Regelung getroffen und lässt sich deren mutmaßlicher Wille zu der Frage, wer das Risiko eines Wegfalls der betreffenden Subvention tragen soll, auch nicht ohne weiteres aus den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen oder sonstigen Umständen ermitteln, gibt es dennoch rechtliche Möglichkeiten, eine Vertragsanpassung zu verlangen, die den geänderten Umständen Rechnung trägt. Liegt eine sogenannte Störung der Geschäftsgrundlage vor, kann dies etwa Anpassungsrechte in Bezug auf die vertragliche Preisgestaltung begründen, im Extremfall sogar das Recht, sich gänzlich vom Vertrag zu lösen.

Bevor es zur Eskalation kommt, ist es hier, gerade soweit Unternehmen betroffen sind, die in einer Vielzahl von Projekten und verflochtenen Geschäftsbeziehungen miteinander arbeiten, höchst ratsam, eine für alle Beteiligten tragbare wirtschaftliche Lösung zu finden. Vorbereitend dürfte in vielen Fällen aber eine anwaltliche Beratung angezeigt sein, schon um den eigenen Horizont der Handlungsmöglichkeiten kennenzulernen und Verhandlungen in Kenntnis der eigenen Rechte und Pflichten führen zu können.

Auch hier gilt: Eskaliert die Situation und kommt es zum Streit, können sich alternative Finanzierungsmodelle wie etwa Prozessfinanzierung anbieten, um die eigene Liquidität voll im operativen Geschäft zu halten und dieses nicht in langwierigen Rechtsstreitigkeiten mit ungewissem Ausgang zu binden.


Dr. Malte Stübinger
Dr. Malte Stübinger

Autor: Dr. Malte Stübinger
Dr. Malte Stübinger ist General Counsel Germany beim internationalen Prozessfinanzierer Deminor Litigation Funding. Er ist im deutschsprachigen Markt für die Finanzierung und Begleitung von individuellen Rechtsstreitigkeiten (gerichtliche Auseinandersetzungen und Schiedsverfahren) zuständig und zudem in internationalen Sammelklagen in den Bereichen Wertpapierrecht und Kartellschadenersatz tätig. Bevor er 2021 zu Deminor wechselte, war er mehrere Jahre als Litigation Associate in einer renommierten US-Kanzlei tätig.